Kohärenz-Kompetenz-Modell nach KIEFER 2025

Eine gute pädagogische Fachkraft verfügt sicherlich über eine große Menge an »Wissen«. Doch was ist das für ein »Wissen«? Fachwissen, sicherlich, Schulwissen, aber klar, aber wie erlangt man dieses Wissen? Und wie nutzt man dieses Wissen in der alltäglichen Arbeit? Amüsant beschreibt Diethelm Wahl in seinem Buch »Lernumgebungen erfolgreich gestalten« (Wahl 2013) die Problematik mit den Begriffen »Eunuchenproblem« (man weiß, wie es theoretisch gehen soll, kann es aber nicht ausführen), »Osterhasenpädagogik « (suchen nach den benötigten Informationen/Lösungswegen) und »Pfingstwunderdidaktik«, also des plötzlichen Erscheinens einer gangbaren Bewältigungsstrategie (Wahl 2013, S. 9–29). Wir sammeln in Schulen, Kursen, Lehrgängen und anderen Bildungssettings meist ein erhebliches Maß an trägem Wissen, also theoretische Sachverhalte, dessen Nutzen uns im alltäglichen Handeln gar nicht (so schnell) bewusst wird oder dessen aktive, begründete Nutzung wir lediglich in der Reflexion ansatzweise artikulieren könnten. Oder greifen Sie während eines Gesprächs bewusst auf die Kommunikationsmodelle aus ihrer eigenen Ausbildung zurück und analysieren die Aussage Ihres Gegenübers gemäß dem Vier-Seiten-Modell  nach Schulz von Thun (vgl. Schulz von Thun 2015)? In den meisten Fällen sicherlich nicht (bewusst). Ergo muss es grundlegend zwei Formen von Wissen geben: explizites , artikulierbares, bewusstes Wissen und implizites , unbewusstes, in den Hirnwindungen verborgenes und nicht (so einfach) artikulierbares Wissen. Manchmal taucht in diesem Zusammenhang auch der Begriff »Erfahrungswissen« auf. Aufgrund der Klammersetzungen im vorausgegangenen Textabschnitt sehen Sie bereits, dass es gar nicht so einfach ist, Wissensformen und -ebenen genau zu definieren. Das soll auch nicht Ziel dieser Darstellungen sein. Allerdings soll das nachfolgende Schaubild das Zusammenspiel verschiedener Wissensformen und -ebenen im Bezug zur Selbstwirksamkeit (Schwarzer/Jerusalem, 2002) und Kompetenzentwicklung (exemplarisch Erpenbeck/Rosenstiel 2007, Erpenbeck/Sauter 2016) verdeutlichen. Die drei Wissensebenen existieren sowohl auf der bewussten, expliziten Seite unseres Wissens als auch auf der unbewussten Seite. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Erlernen des PKW-Fahrens. Zu Beginn zeigt Ihnen der Fahrlehrer noch genau, wann und wie man schaltet und erklärt, warum hoch- oder heruntergeschaltet werden muss (Drehzahloptimierung), später wird dieses explizite Wissen zu implizitem Wissen. Sie fahren einfach und denken nicht mehr bewusst darüber nach, wann sie in welchen Gang schalten. Autofahren wird zur Routine. In der sozialpädagogischen Ausbildung finden wir dieses Wechselspiel der Wissensformen und -ebenen besonders häufig, da wir hier intersubjektiv handeln. Es gibt also keine konkreten Abläufe, die man vorausberechnen kann, sondern es muss in der Situation entschieden und gehandelt werden. Winfried HACKER formulierte in seiner Handlungsregulationstheorie (2005, S. 376 ff .) daher die Ebenen des handlungsleitenden, planerisch vorweggenommenen Wissens, des handlungsbegleitenden, also sich beim Ausführen neu ergebenden Wissens und das regressive-reduktive handlungsrechtsfertigende Wissen, das nur im Nachgang artikuliert werden kann. In der Ausbildung an den (Berufs-) Fachschulen , aber auch in der Lehrerausbildung versucht man diesem Manko Herr zu werden, indem man Planungen auf der Basis von Beobachtungen schreiben lässt. Diese sollen kalkulierbare, prototypische Handlungsweisen aufzeigen und so zur Kompetenzentwicklung des Lernenden beitragen. Anhand einer gängigen Spaltenaufteilung in der Verlaufsplanung können wir allerdings die drei Wissensformen erkennen: Handlungsschritte (Was?), Methoden (Wie?), didaktische Begründungen (Warum?), sind genau die oben angedeuteten Wissensformen.
Das Kohärenz-Kompetenz-Modell greift daher auf die Erkenntnisse von PESTALOZZI (1801, Prinzip der Ganzheitlichkeit, »lernen mit Kopf, Herz und Hand«), auf den Salutogenetischen Ansatz nach ANTONOVSKY (1987) und den »sense of coherence« als Voraussetzung für Selbstwirksamkeitserfahrungen (Schwarzer/Jerusalem 2002) und damit Gesunderhaltung / Stressreduktion, sowie auf das Arbeitsprozesswissen nach RAUNER (2004) zurück. Die in diesem ganzheitlichen Modell dargestellten Ebenen und Formen von Wissen ergeben in ihrem komplexen Zusammenspiel Handlungskompetenz. Die Grundannahme ist, dass sowohl kognitive als auch affektive und psycho-motorische Prozesse bzw. Handlungen letztendlich in verschiedenen Arealen des Gehirns initiiert und von dort aus gesteuert werden, aber erst das Zusammenspiel der unterschiedlichen Bereiche zur Kompetenzentwicklung im Sinne einer Analyse-, Planungs-, Ausführungs- und Reflexionsfähigkeit führt.